Versteckte Pfade am Nordatlantik

Versteckte Pfade am Nordatlantik

Eine aussichtsreiche Rundwanderung ab Unstad über den Nonstinden

Falko Burghausen
Falko Burghausen
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StoriesMai 2025

Der Name Nonstinden mag häufig vorkommen, die Lage von Unstad ist hingegen einzigartig: auf einer stürmischen, aber mit weitreichender Aussicht begünstigten Wanderung rund um den Talkessel von Unstad lernen wir dieses malerische Dorf am Atlantik von jeder Seite kennen.

Schneidend kalt ist er, der Westwind, der vom offenen Atlantik in die Bucht bei Unstad hereinweht. Die exponierte Lage der Lofoten trifft auf die am äussersten Rand der Lofoten liegenden Ortschaft und sorgt bei uns auf unserem Weg zum Nonstinden für hochgezogene Schultern, in die Taschen hineingesteckte Hände und das dringende Bedürfnis, dem Wind den Rücken zukehren zu können. Und dabei sind wir gerade erste losgegangen – hätten wir da schon gewusst, dass es noch kälter und stürmischer werden würde, wären wir dann direkt umgekehrt und hätte uns im Unstad Arctic Surf Center bei den World's Best Cinnamon Bun gütlich getan?

Unstad: unzugänglich und unvergesslich

Es ist Ende Mai, als wir von unserer gemütlichen Unterkunft in Ballstad die langgezogene E10 in Richtung Norden fahren. Mitten durch Vestvagøy führt sie hindurch, hinein in das Herz der Lofoten und dient dabei als Lebensader dieser einmaligen Inselgruppe in Norwegen. Rund eineinhalb Kilometer vor dem Lofotr Wikingermuseum verlassen wir die gut ausgebaute Strasse und biegen nach Westen ab, auf eine kleine Nebenstrasse, die uns bis nach Unstad bringen wird. Wir passieren einen Tunnel, anschliessend das Saupstad-Kraftwerk und stehen nun vor der Bergmauer zwischen Saupstadtinden, Horgstinden und Nonstinden, die Unstad vom restlichen Teil der Lofoten abgrenzt.

Ein weiterer ca. 800 m langer Tunnel saugt uns in die Dunkelheit hinein und spuckt uns kurz darauf mit Blick auf das offene Meer wieder aus. Vor uns liegt das nur aus wenigen Häusern bestehende Unstad, malerisch eingebettet in ein abgeschlossenes kleines Tal, welches sich nur zum Nordatlantik hin öffnet. Wir rollen die abfallende Strasse hinunter und parken auf dem zu dieser Jahreszeit nahezu leeren und kostenpflichtigen Parkplatz vorne am Strand. Im kurzen arktischen Sommer sieht es hier leider ganz anders aus und die Vans und Wohnmobile reihen sich Stossstange an Stossstange, der kleine Ort kollabiert an manchen Tagen beinahe unter der Flut von Surfbegeisterten und Lofoten-Touristen. Overtourism at its best.

Klare Linien

Rundwanderung von Unstad auf den Nonstinden

Damit keine Verwechslungen auftreten: der Name Nonstinden ist in Norwegen keineswegs einzigartig. Das Matterhorn gibt es nur einmal, den Nonstinden hingegen gefühlt unzählige Male – und das schon nur alleine auf den Lofoten. Nicht zu verwechseln ist er mit dem Nonstinden bei Ballstad, der ebenfalls ein wunderschönes Wanderziel darstellt und einmalige Ausblicke auf das Inselarchipel der Lofoten bietet.

Die Wegfindung und der Start für unsere kleine Wanderung sind einfach, schliesslich ist das Tal selber nicht allzu gross und es gibt nur einen einzigen, gut sichtbaren Wanderweg auf der nördlichen Talseite, der uns vom eisigen Wind weg und rund 150 Höhenmeter hinauf zum Passübergang Varden bringt. Wir stehen nun direkt über dem Strassentunnel, genau unter uns kommt die Strasse aus dem Berg heraus und führt beinahe schnurgerade an den Atlantik und mitten hinein in die bunten Häuser von Unstad. Auf der anderen Seite öffnet sich der Blick ins Innere der Lofoten und direkt vor uns wartet der am Trockengestellt aufgehängte Stockfisch auf die nächste Etappe seiner kulinarischen Reise.

Von hier aus beginnt unsere eigentliche Wanderung, die uns auf den ca. 480 m hohen Nonstinden und in einem Bogen wieder zurück nach Unstad bringen wird.

Weglos, aber nicht ausweglos

Norwegen ist nicht gerade für Schweizer Verhältnisse auf den Wanderwegen bekannt. Wo man sich im kleinen Alpenland schon wirklich Mühe geben muss, den Weg zu verlieren, sieht das in Norwegen häufig ganz anders aus. Der Wanderweg auf den Nonstinden ist hier keine Ausnahme: anfangs finden wir noch einige Wegspuren in der weitläufigen Südflanke zwischen Horgstinden und Nonstinden, doch zwischen unserem hektischen Armwedeln, um der kleinen Moskitos Herr zu werden, verlieren wir diese Spur schnell und müssen nun in Eigeninitiative einen Weg finden. Das stellt aber kein grosses Problem dar und querfeldein aufsteigend gelangen wir auf den Grat vor dem Nonstinden, wo uns nach einer angenehmen Pause im Windschatten nun der volle Zorn der Windgötter trifft.

Nordische Lagunen

Zuerst heisst es also einmal: Jacken an, Kapuzen auf und Hände in die Taschen rein. Ohne angepasste Bekleidung sollte man auf den Lofoten nicht wandern, auch wenn es lokal ruhig und sonnig zu sein scheint. Das Wetter kann hier im äussersten Norden so schnell umschlagen wie sonst nur an wenigen Orten und der berüchtigte Windchill-Effekt hat schon manch einen in die eiskalte Verzweiflung getrieben.

Auch wenn wir möglichst viel von unserem Körper unter Bekleidung zu verstecken suchen, so bleiben die Augen doch draussen und geöffnet. Und das ist auch gut so, denn der einmalige Rundblick vom naheliegenden Gipfel des Nonstinden entschädigt für Wind und Kälte ganz eindeutig. Südwestlich von uns können wir den wunderschönen Strand von Utakleiv erkennen, der für uns bereits Schauplatz für ein Beinahe-Nahtoderlebnis unserer Stossdämpfer und anschliessend Ausgangspunkt für den einmaligen Trailrun von Haukland via Mannen nach Utakleiv war. Im Landesinneren schweift der Blick über unzählige bekannte iund unbekannte Berggipfel, während im Westen der endlose Atlantik die Szenerie dominiert.

West Coast

Kraxelei mit Meerblick

Nach rauf kommt runter und nach Wind kommt Windstille: der Nonstinden kann sich nicht entscheiden, welche Wetterbedingungen er uns bieten möchte. Nachdem unsere Pause am 480 m hohen Gipfel windbedingt eher kurz ausfiel, sieht die Sache nach einigen hundert Metern auf dem aussichtsreichen Grat in Richtung nordwestlich gelegenem Aksla schon wieder ganz anders aus. Auch dieser Aksla hat übrigens nichts mit seinem Namensvetter in Ålesund zu tun, gemeinsam haben sie allerdings die wunderschöne Aussicht in alle Himmelsrichtungen.

Der weitere Abstieg folgt meist relativ gut sichtbaren Spuren direkt am Grat, der kurzzeitig sogar mit leichter Kletterei über einige Felspassagen führt. Nicht schwierig, runterfallen darf aber dennoch nicht passieren. Später wechseln wir in die südseitige Flanke und damit in den Talkessel zwischen Nonstinden, Vårsetaksla und Medskolmen, in dem der kleine, tiefblaue See Utdalsvatnet schimmert. Ein idyllischer Anblick hier direkt an der Atlantikküste, der einem kleinen Alpenseen in nichts nachsteht.

Die See sehen

Der einzige Nachteil sind die abfliessenden Gewässer aus dem Utdalsvatnet, denn diese machen das Gebiet unterhalb des Sees und damit die letzte Etappe zurück zum Ausgangspunkt zu einem der typischen sumpfigen Unterfangen, die man auf den Lofoten leider recht häufig antrifft. Aber auch dieses Stück geht zu Ende und die rauschende Brandung des Meeres in der Bucht von Unstad begrüsst uns wieder mit ihrem monotonen, aber niemals ermüdenden Klang.

Die weltbesten Zimtschnecken?

Mit Superlativen ist es immer so eine Sache, besonders, wenn man sie sich selber verleiht. Dennoch besagen die Gerüchte, dass die Cinnamon Buns aus dem Unstad Arctiv Surf Center diesen Ansprüchen durchaus genügen sollen – am besten einfach mal selber ausprobieren. Nebst den für das Surfen, Spazieren, Wandern oder sonstiger Aktivitäten notwendigen Kalorien kann man hier auch Mietmaterial zum Surfen ausleihen sowie die ersten Schritte auf dem Surfbrett unter fachkundiger Anleitung unternehmen. Übernachtungsmöglichkeiten werden ebenfalls angeboten, auch wenn ein Grossteil der Besucher vermutlich mit dem Camper anreist: für sie gibt es offzielle und kostenpflichtige Stellplätze auf der nordöstlichen Seite der Bucht.

Für uns geht die kleine, aber deswegen nicht minder schöne Rundwanderung von Unstad via Nonstinden nun zu Ende und auf der Rückfahrt machen wir das Einzige, was man auf den Lofoten am Ende eines erlebnisreichen Tages machen kann: man plant bereits den nächsten.

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Über Falko Burghausen

Falko Burghausen
Falko ist leidenschaftlicher, Award-nominierter Outdoor-Fotograf und zertifizierter Trailrunning Guide (esa / Swiss Athletics). Seine Kamera begleitet ihn auf alpinen Pfaden, durch skandinavische Weiten und mitten ins Geschehen – immer mit einem Blick für Licht, Linie und echte Momente. Als langjähriger Software-Engineer denkt er strukturiert, als Sportler liebt er den Flow. Ob beim Laufen oder Fotografieren: Für Falko zählt das Echte – reduziert, nah dran und mit viel Gespür für Landschaft, Bewegung und Emotion.
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