Es ist Ende Mai, als wir uns das erste Mal in unserem Leben auf den Lofoten herumtreiben und zu unserer Überraschung kann es sogar so weit oben im Norden bereits richtig warm werden. Nach getaner Arbeit sitzen wir deshalb in T-Shirts auf der Terrasse unseres Zuhauses auf Zeit und blicken hinüber zum Nonstinden. Es ist eines dieser typischen Häuschen, die sich hier im hohen Norden an den Küsten entlang reihen — Rote Holzwände, weisse Fensterrahmen und der Blick auf Wasser und Berge. Aber wo sind wir hier eigentlich genau?
Hausberg und Heide über Ballstad
Unsere Hütte liegt in dem ruhigen Fischerörtchen Ballstad im Bezirk Vestvagøy, das eigentlich schon zu den grösseren Dörfern auf den Lofoten gehört, wobei wir „grösser“ wohl eher in Anführungszeichen setzen sollten. Die Halbinsel, auf der Ballstad liegt, ist geprägt von einem Gebirgszug, der von Nord nach Süd verläuft.
Der höchste Gipfel, eher im Norden, ist der 670 Meter hohe Skottinden und die weiteren Zacken und Gipfel ziehen sich bis an das südliche Ende der Halbinsel, wo der Fels mehr oder weniger schroff zur Küste hin ausläuft. Der Nonstinden ist einer dieser Gipfel und liegt direkt oberhalb von Ballstad, das sich an die Westseite des kleinen Gebirgszuges schmiegt und somit gut vor den stürmischen Westwinden geschützt ist. Diese treffen sonst ungebremst vom Atlantik auf die Inselgruppe der Lofoten.
Pure Spots.
Fine Art Prints von dieser Location.Mit seinen knapp 460 m ü. M. gehört der Nonstinden zwar nicht unbedingt zu den höchsten Gipfeln auf den Lofoten und vermutlich auch nicht zu den eindrücklichsten. Was uns jedoch an diesem direkt aus dem Atlantik aufragenden Berg so gefällt, ist seine Vielseitigkeit. Aber dazu später mehr.
Die Ballstadheia, also die Heide oberhalb von Ballstad, liegt rund 200 m über dem Meer und gliedert den Aufstieg hinauf zum Nonstinden in einen steilen Anfangspart und den weniger steilen Gipfelaufstieg.
Wer uns kennt, der weiss, dass auf der Terrasse sitzen und die Sonne geniessen nicht zu unseren Standardbeschäftigungen gehört. Es dauert also nicht lange, bis es uns in den Fingern, oder vielleicht eher in den Zehen kribbelt. Anstatt also aus dem Liegestuhl hinauf zur Ballstadheia zu schauen, schnüren wir lieber unsere Laufschuhe und nehmen den Aufstieg als Trailrun in Angriff.
Über Stock(-fisch) und Stein
Unser Ausgangspunkt liegt ganz im Süden von Ballstad, auf der Insel Gjermesøya und unser erstes Hindernis ist kein steiler Aufstieg, sondern der Weg durch stinkenden Stockfisch. Von ca. Februar bis Mai trifft man auf den Lofoten überall auf die traditionellen Holzgestelle, auf welchen die an den Schwänzen zusammengebundenen Fische zum Trocknen hängen. Der Geruch ist teilweise wirklich nicht schön (zumindest für mein feines Näschen) und ein gruseliges Detail: Die Köpfe der Fische werden vor dem Aufhängen abgetrennt und ebenfalls zum Trocknen an die Gestelle gebunden. Sieht ein bisschen gewöhnungsbedürftig aus.
Schnell finden wir den richtigen Pfad zum Nonstinden und befinden uns schon ein paar Meter weiter auf dem Wanderweg. Der steile Aufstieg bringt zum Glück rasch Distanz zwischen uns und dem penetranten Fischgeruch und wir können wieder aufatmen. Die Luft haben wir auch nötig.
Der Anstieg ist steil und je nachdem welche Route man wählt entweder mit ein paar Ketten gesichert oder mit losem Geröll durchsetzt, aber nie wirklich schwierig. Wir entscheiden uns fürs Geröll und gewinnen schnell an Höhe. Nach rund 200 Höhenmetern erreichen wir bereits die Ballstadheia und legen eine kurze Verschnaufpause ein. Vielleicht ist es auch eher eine Panorama-Pause, denn der Ausblick, der sich uns bereits von hier bietet ist schlichtweg genial.
Vestvagøy zu unseren Füssen
Ganz rechts liegt unter uns die kleine Insel Gjermesøya, wo unser Hüttchen steht. Weiter links ist die Bucht von Kræmmervika zu sehen und noch ein Stückchen weiter blicken wir bereits auf die Dächer von Ballstad. Im Hintergrund erspähen wir Mortsund auf einer anderen Halbinsel und entdecken den Breitinden und Guratinden, die steil aus dem Meer in die Höhe empor ragen.
Über die Ballstadheia ist es endlich etwas flacher und unser Laufstil – oder zumindest meiner – erinnert endlich wieder mehr an Joggen als an Wandern. 🥵 Mittlerweile haben sich am Himmel ein paar Wolken versammelt, die die ganze Szenerie um uns herum zwar lichttechnisch äusserst interessant gestalten, aber hin und wieder auch die Sonne verschlucken. Da wir hier oben aber nicht mehr vor den kräftigen Westwinden geschützt sind, bläst uns teils ein ziemlich frischen Lüftchen um die Nase und wir versuchen durch Bewegung warm zu bleiben. Der Gipfelaufstieg lässt uns dann auch nochmal richtig ins Schwitzen kommen, denn hier steilt das Gelände wieder etwas mehr auf.
Für die Mühe, um bis auf den Gipfel des Nonstinden zu steigen, werden wir aber definitiv belohnt, denn hier oben wartet eine atemberaubende Aussicht auf uns. Unser Blick wandert über Ballstad und den kleinen Hafen, folgt den Strassen, die von hier oben wie in einer Spielzeuglandschaft aussehen und bleibt an unzähligen Inselchen und Halbinseln hängen. Und trotz Wolken können wir sogar die Gipfel auf dem gegenüberliegenden Festland erkennen.
Eigentlich würden wir am liebsten viel länger stehen bleiben, staunen und entdecken — aber uns ist kalt. Der Wind lässt nicht nach und so treten wir den Rückweg an. In ein paar Minuten sind wir zurück an der Ballstadheia und entscheiden uns diesmal für den mit Ketten gesicherten Wegabschnitt. Nach weiteren 20 Minuten erreichen wir wieder Meereshöhe. Dann heisst es einmal kurz Luft anhalten, durch den Stockfisch huschen und dann haben wir es geschafft. Ein perfekter After-Work Trailrun.
Alleskönner mit Weitblick
Mit dem Trailrun wollten wir es beim Nonstinden allerdings nicht belassen. In den nächsten Tagen haben wir den charmanten Gipfel über Ballstad noch das ein oder andere Mal wandernd oder laufend erklommen und Falko hatte sogar noch genügend Kraft und Motivation, um im goldenen Licht der Mitternachtssonne inklusive Fotoausrüstung hinauf zu steigen. Und es hat sich jedes Mal gelohnt. 😊
Egal, welcher Aktivität man am Nonstinden nach geht, der Hausberg von Ballstad ist definitiv einen oder auch mehrere Besuche wert. Und auch wenn er auf den ersten Blick von unten eher unspektakulär wirkt, ist das Panorama von der Ballstadheia und dem Gipfel um so eindrucksvoller.