Wanderung auf die Tour d'Aï
StoriesJuli 2024

Markant die Westwand, von bunten Blumen gesäumt der Normalweg und atemberaubend die Ausblicke vom Gipfel: die Wanderung auf die Tour d'Aï hat einiges zu bieten und führt uns von Leysin aus auf diesen 2'331 m hohen Berg hoch über dem Genfersee.

Und noch ein letztes Mal müssen wir auf Fussspitzen über eine mehrere Meter lange Passage aus Kuhfladen balancieren, dann ist es geschafft und wir können trockenen Fusses den Rest des Abstieges von der Tour d'Aï in Angriff nehmen. Bereits im Aufstieg mussten wir hier entlang, mittlerweile ist die Kuhscheisse aber zumindest getrocknet, was die Sache etwas angenehmer macht.

Vor ungefähr drei Stunden haben wir unsere Wanderung auf die Tour d'Aï in Leysin, diesem einmaligen Bergdorf hoch oberhalb des Rhonetals auf 1'252 m Höhe gelegen, gestartet. Sind zu dritt zuerst durch steile Gassen mit internationalen Schulen und Colleges gelaufen, haben eine grosse Vielfalt an Sprachen aller Couleur auf den Strassen gehört und sind dann abgebogen, um in Richtung Tour d'Aï aufzusteigen. Gute 1000 Höhenmeter stehen uns ab Leysin bevor, die letzten 400 davon exponiert über den südseitigen Normalweg. Der weiss-blau-weiss markierte Bergweg führt hinauf auf den markanten 2'331 m hohen Gipfel.

Steinerne Kathedrale

Tour d'Aï, ein komischer Name und ein kleines Kunststück, dieses "ï" mit seinem Doppelpunkt auf der Tastatur zu finden. Aber auch in Natura ist dieser Berg kein Berg wie jeder andere. Eindrucksvoll bricht seine senkrechte bis überhängende, von einem Klettersteig durchzogene Westwand ab, hinein in den Kessel, in dem der Lac d'Aï Wasser speichert für die winterliche Beschneiung des Skigebiets von Leysin. Eindrucksvoll ist auch die Aussicht vom Gipfel, errreichbar über einen langgezogenen Rücken von Süden her, der heute im Juli einem alpinen Blumenmeer gleicht. Aber noch sind wir nicht dort, sondern müssen zuerst einige Höhenmeter über eine asphaltierte Alpstrasse hinauf wandern, bis wir die gemütliche Alp Le Temeley auf 1'705 m erreichen. Wer sich für typische Walliser Gerichte begeistert, wird hier fündig – für uns ist es aber noch zu früh am Tag und wir lassen Alp, Alpstrasse und lästiges Alpstrassengelatsche rasch hinter uns, als wir durch ein buntes Meer an Bergblumen nordwärts direkt über einen steilen Bergweg in Richtung Lac d'Aï aufzusteigen beginnen.

Es ist unglaublich, was auf dieser Höhe alles wächst und gedeiht. Als diplomierter Voll-Laie in Bezug auf die alpine Flora bleibt mir nicht viel anderes übrig, als die Blumen nach ihren Farben zu klassifizieren – aber dennoch: auch ohne fundiertes Wissen, welches ich Marina als studierte Umwelt-Ingenieurin überlassen muss, ist der Anblick wunderschön und verdeckt die Tatsache, dass wir hier auf dem Pistengelände des Skigebietes herumlaufen.

1'910 m, die Tête d'Aï ist erreicht und eine Trinkpause später führt unser weiterer Weg nun ohne viel Umschweife hinauf in eine steile, felsige Rinne, die vom langgezogenen grasigen Rücken der Tour d'Aï begrenzt wird. Im Zickzack windet sich der Weg herauf, bald gefolgt von der Schlüsselstelle des Normalwegs auf die Tour d'Aï, einer kurzen Passage mit zwei felsigen Absätzen mit Metallklampen und Trittstufen. Die eine etwas länger, die andere nur ein paar wenige Meter hoch. Die Hände müssen aus den Hosentaschen, das Herz muss aber nicht in die Hose rutschen, denn schon nach wenigen Sekunden liegt dieser Abschnitt hinter und ein weiteres buntes Blumenmeer vor uns.

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Farbspektrum

Gelb, Blau, Violett und Pink, darunter eine grüne Matte: so präsentiert sich der nun folgende Weg hinauf auf den felsigen Gipfelaufbau der Tour d'Aï. Zigtausende Blumen reihen sich aneinander, nicht ganz so viele Serpentinen sind es, die uns rasch zu einer weiteren kurzen, felsigen Passage bringen. Auch hier heisst es wieder kurz anpacken, bevor sich der Weg klammheimlich auf die Ostseite windet. Einige Grattürmchen umgehend erklimmen wir dann von der nördlichen Seite die letzten Meter bis hinauf ins Panorama-Eldorado der Tour d'Aï.

Über dem Wolkenmeer

Wem diese Aussicht vom Gipfel der Tour d'Aï nicht ausreicht, dem ist wohl nicht zu helfen. Genfersee, Alpenvorland und in die anderen Richtungen Berge, Berge und nochmals Berge. Niedrige Berge und hohe Berge, sogar der höchste Berg der Alpen, der Mont Blanc, lässt sich nicht lumpen und schickt Grüsse von seiner weissen Gipfelhaube aus ewigem Eis. Auch sein nur wenig niedrigerer Nachbar, der Grand Combin, zeigt sich unverkennbar am Talende des Val de Bagnes. Und dazwischen die Granitzacken der unzähligen Bergriesen rund um Chamonix, im Länderdreick der Schweiz, Italiens und Frankreichs. Direkt vor uns glitzert die silbrige Kuppel der Berneuse, ebenfalls per Seilbahn erreichbar und empfehlenswerter Fotostandpunkt in der Abendsonne.

Essen, trinken, schauen, gerne auch in anderer Reihenfolge – viel mehr müssen wir hier am Gipfel gar nicht tun. Nur Wurzeln schlagen sollten wir nicht, denn hinunter wollen wir auch noch. Und so folgt dem Auf- der Abstieg, erneut unzählige Alpenblumen passierend und rasch Höhenmeter verlierend. An der Tête d'Aï wartet ein Lift, den wir aber ignorieren und stattdessen in einem Linksbogen über die Alp Mayen hinab laufen. Und gar nicht so viel später erneut an der Kuhfladenpassage stehen – dieses Mal aber etwas trockeneren Fusses darüber hinweg kommen und wenig später auf der asphaltierten Strasse zurück nach Leysin ankommen, auf der man uns alsbald, ohne weitere alpwirtschaftliche Nebenprodukte passieren zu müssen, zurück nach Leysin trotten sieht.

Zurück ins Tal

Wir haben einen markanten Gipfel gesucht und gefunden – vor allem aber haben wir eine einmalige alpine Flora entdecken dürfen, die die Bezeichnung "kunterbunt" mehr als verdient hat. Unerwartet ist sie aufgetaucht, aber meistens sind es ja genau diese unerwarteten Dinge, an die wir uns erinnern und die aus einer einfachen Bergtour ein bleibendes Erlebnis machen.

Informationen zur Route

Wanderung auf die Tour d'Aï – 2331 m
T3+ (E2)

Eine steile Passage mit Versicherung führt auf einen blumenreichen Rücken mit exponierten Passagen und einem unbeschreiblichen Ausblick über den Genfersee.

Zahlen & Fakten

Schwierigkeitsgrad

Ernsthaftigkeit

Markierung

Zeitbedarf

Aufstieg

987 m

Abstieg

984 m

Höchster Punkt

2'331 m

Gesamtdistanz

13 km

Region

SchweizVaud

Aktivität

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Routenbeschreibung

Wir starten unsere Wanderung auf die Tour d'Aï in Leysin an einem Parkplatz knapp unterhalb P. 1356. Kurz folgen wir der Avenue Secrétan in Richtung Nordosten, bis linkerhand ein kleiner Wanderweg abzweigt. Diesem folgen wir für knapp 200 Meter und biegen anschliessend wieder scharf nach rechts ab. Wir erreichen kurz darauf die Route des Chamois und halten uns links bis zu P. 1474, welcher uns anschliessend auf markiertem Weg in Richtung Le Temeley leitet.

Über Alpweiden (teilweise weiden hier Mutterkühe) geht es auf der asphaltierten Alpstrasse, die für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist, hinauf bis zur Alp Le Temeley. Direkt hinter der zweifachen Serpentine würde ein Wanderweg hinauf in Richtung Berneuse führen. Wir bleiben aber noch ein Stückchen auf der Alpstrasse und verlassen diese erst bei P. 1729 nach links. Wenn in diesem Bereich Mutterkühe weiden und du diese umgehen möchtest, besteht die Möglichkeit, dem gelb markierten Weg weiter geradeaus zu folgen und anschliessend in einem langgezogenen Linksbogen zur Tête d'Aï zu gelangen.

Über den teilweise steilen Wanderweg hinauf bis kurz vor den Lac d'Aï und hier rechts haltend am kleinen Alpweiler auf 1'892 m vorbei. Direkt hinter der Bergstation der Tête d'Aï biegt links der weiss-blau-weiss markierte Bergweg in Richtung Tour d'Aï ab. Diesem folgend erreicht man alsbald eine felsige Rinne, deren oberen Bereich man über einige kurze Steilstufen mit Metallbügeln, Leitern und Drahtseilen erklettert. Diese Passage stellt schwierigkeitstechnisch die Schlüsselstelle des Normalwegs auf die Tour d'Aï dar, schwerer wird es danach nicht mehr, allerdings ausgesetzter.

Über den bald breiten südostseitig ausgerichteten Rücken empor bis zu einer weiteren kleinen Felsstufe, die nochmals mit einer kurzen versicherten Passage aufwartet. Danach verläuft der Weg teilweise ausgesetzt auf der Ostseite der Tour d'Aï und passiert mehrere kleine Türmchen im Grat. Diese Passagen sind technisch unschwierig, stellenweise jedoch ausgesetzt. Schwindelfreiheit ist hier eine Grundvoraussetzung. In einer scharfen Linkskurve erreicht man alsbald den Gipfel mit atemberaubender Aussicht in alle Himmelsrichtungen.

Der Abstieg verläuft im oberen Teil entlang der Aufstiegsroute. Ab der Tête d'Aï bieten sich verschiedene Varianten an, um wieder nach Leysin ins Tal abzusteigen, die alle gut markiert sind, stellenweise jedoch über Alpweiden mit Mutterkühen führen. Alternativ kann ab hier mit der Bahn ins Tal abgefahren werden.

Schwierigkeit

T3+ (SAC-Skala). Bei dem beschriebenen Weg handelt es sich nicht um den Klettersteig, der mit K4 bewertet ist. Der Bergweg ist im oberen Teil in einigen Passagen ausgesetzt. Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sind absolute Grundvoraussetzung für das Begehen der Route.

Schlüsselpassage

Kurze Passagen mit Leitern und Ketten im unteren Teil des Gipfelaufbaus

Beste Jahreszeit

Bei der Wanderung auf die Tour d'Aï sollten im oberen, exponierten Teil nach der Tête d'Aï alle Schneereste weggeschmolzen sein, was normalerweise im Frühsommer ab Mai oder Juni der Fall ist. Danach ist die Wanderung bis in den Herbst hinein bis zum ersten grösseren Schneefall möglich.

Anfahrt

Die Autobahn A9 in Richtung Montreux oder Sion in der Gegenrichtung an der Abfahrt Aigle verlassen und der markierten Strasse nach Leysin folgen. Kurz vor La Sépey verlässt man die Kantonsstrasse 11 und folgt der kleineren Strasse hinauf nach Leysin. Der engen Strasse durch Leysin hindurch folgen und zum Parkplatz an der Avenue Rollier.

Ausgangspunkt

Ausgangspunkt ist der Parkplatz unterhalb von P. 1356 in Leysin, es kommen jedoch auch alle anderen Parkplätze im Ort in Frage. Aufgrund der geografischen Lage von Leysin sind die Parkmöglichkeiten begrenzt und die Zufahrtsstrassen stellenweise schmal.

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Gut zu wissen

Abwechslungsreiche und im oberen Teil anspruchsvollere Alpinwanderung auf den markanten Gipfel der Tour d'Aï.

Einige Passagen sind ausgesetzt und erfordern absolute Schwindelfreiheit.

In der markanten Westwand der Tour d'Aï führt ein steiler Klettersteig bis kurz unterhalb des Gipfels. Für diesen ist eine komplette Klettersteigausrüstung mit Gurt, Klettersteigset und Helm erforderlich.

Ausgangspunkt ist das Bergstädtchen Leysin, welches sich hoch oberhalb des Rhonetals an den Hang schmiegt. In Leysin befindet sich die Leysin American School sowie eine renommierte Hotelfachschule, was dem Dorf internationales Flair verleiht.

Mit einem Gegenaufstieg von rund 150 Höhenmetern kannst du zum Drehrestaurant Le Kuklos auf der Berneuse aufsteigen (Seilbahn ins Tal nach Leysin) und die eindrückliche Aussicht auf das Rhonetal geniessen.

Einkehrmöglichkeiten am Refuge de Mayen, in der Bar Cable Car am Fuss der Seilbahn in Leysin, in der gemütlichen Buvette d'Aï am Fuss der Tour d'Aï oder im Tal im Restaurant Le Bel Air.

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Über den Autor Falko Burghausen

Falko Burghausen
Falko ist ganzjährig in den Bergen zuhause, ob auf Hochtouren, beim Klettern, auf Tourenski, im Eis oder auf alpinen Trails. Im Winter zieht es ihn zusätzlich auf die Langlaufloipe. Als zertifizierter Trailrunning Guide bringt er dir effizienten, sicheren und flowigen Laufstil näher und befindet sich parallel in der Ausbildung zum UIMLA Bergwanderführer beim VDBS. Ausgestattet mit seiner Kamera hält er als mehrfach international ausgezeichneter Fotograf die grossen Momente des Draussenseins fest – voller Emotion, Weite und echter Abenteuerlust.
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