Skihochtour aufs Fletschhorn

Skihochtour aufs Fletschhorn

Von den Weissmieshütten auf einen wenig besuchten Fast-Viertausender

Author: Falko Burghausen
Falko Burghausen
StoriesOktober 2025

Kalt und abweisend vom Simplonpass, spitz und abwechslungsreich vom Saastal: die Überschreitung des Fletschhorns von den Weissmieshütten via Grüebugletscher mit Abfahrt nach Saas-Balen gehört zu den weniger begangenen Zielen für Skihochtouren im Herzen des Wallis.

Schschsch… schschsch… Langsam, Schritt für Schritt, Meter für Meter schiebe ich mich in Richtung Gipfel. Es ist ein ziemlich unwürdiges Bild, das ich hier kurz vor dem Gipfel des Fletschhorns abgebe – von alpinistischer Eleganz kann keine Rede mehr sein.

Das Fletschhorn ist mit seinen 3’985 Metern wirklich kein Riese, und trotzdem hat es mich auf dieser Skihochtour mit Höhenproblemen "völlig verspult", wie man so schön sagt. Dass es trotzdem mit diesem alpinistisch interessanten Gipfel geklappt hat, verdanke ich vor allem meiner Tourenpartnerin Evelyn, die es – ohne Druck zu machen – immer wieder geschafft hat, mich zu den nächsten Spitzkehren zu motivieren. Das kann nicht jeder, und funktioniert auch nur, wenn man selbst in diesen Momenten über genügend Reserven verfügt. Chapeau!

Die Fletschhorn Nordseite

Akklimatisationstour zum Lagginjoch

Wir sind am Vortag angereist und haben die ersten, eher unspektakulären rund 850 Höhenmeter mit der Seilbahn bis zum Kreuzboden auf 2’399 Metern abgekürzt. Unser Plan sieht vor, heute entspannt über die Weissmieshütten (2’726 m) aufzusteigen, dort ein wenig Gepäck zu deponieren und anschliessend die rund 800 Höhenmeter bis ins Lagginjoch als Akklimatisationstour in Angriff zu nehmen. Eine technisch einfache Tour, die dennoch mit herrlichen Ausblicken ins Laggintal und in die Gondoschlucht mit dem kleinen, tief unten im Tal liegenden Weiler Simplon aufwartet und in der Abfahrt ein paar lohnende Hänge bereithält.

Wir lassen es gemütlich angehen und steuern schon bald in Richtung Lagginjoch von den Skipisten weg gen Osten. Von hier sind es gerade einmal noch knappe 500 Höhenmeter. Wir können alten Spuren folgen und erreichen so nach einer guten Stunde Aufstieg das obere Ende des nur noch kläglich vorhandenen Laggingletschers. Von hier sind es vielleicht noch 30 Höhenmeter bis ins Lagginjoch. Eigentlich nicht viel, und trotzdem habe ich das Gefühl, soeben von einem Halbmarathon zurückgekehrt zu sein. Scheinbar läuft es mit der Höhenanpassung nicht so richtig rund – wie das wohl morgen am knapp 500 Meter höheren Fletschhorn gehen wird?

Etwas kleinlaut trete ich den Rückweg an. Mit ein paar schönen Schwüngen rauschen wir die ideal geneigten Hänge westlich des Lagginjochs hinunter und erreichen rasch wieder die Piste, der wir in wenigen Minuten bis zur Weissmieshütte folgen. Hier ist für heute Endstation. Wir verbringen den restlichen Tag mit Chillen, Plaudern, Essen und Trinken. Wobei – das mit dem Essen muss ich leider relativieren, denn ich habe einfach keinen Appetit…

Höhenprobleme auf nicht einmal 4000 Meter? Klar geht das!

Roberto, der Hüttenwart der Weissmieshütten, und sein Team kochen ein richtig leckeres Abendessen. Umso mehr schmerzt es mich, dass ich einfach kaum einen Bissen hinunterbekomme. Es ist eines der typischen Symptome der Höhenkrankheit: Appetitlosigkeit steht oft an vorderster Stelle, gefolgt von Kopfschmerzen und Benommenheit. Es ist ein Teufelskreis: tagsüber wird der Körper gefordert, dann bekommt er nicht die Energie, die er benötigt, und zum Schluss wird ihm auch noch der Schlaf verweigert, um sich zu erholen. Immerhin kommen im Laufe der Nacht doch noch ein paar Kalorien hinzu, denn irgendwann knurrt mein Magen so stark, dass ich aufstehe und mich im schwachen Licht der Flurbeleuchtung über einige Müsliriegel hermache.

Das Fletschhorn – im Winter besser als im Sommer?

Das knapp unter der 4000-Meter-Marke liegende Fletschhorn erhält im Sommer während der Hochtourensaison häufig Besuch. Insbesondere der Normalweg via Tälligletscher und dem oberen Teil des Grüebugletschers wird oft begangen, auch die Überschreitung Fletschhorn–Lagginhorn erfreut sich grosser Beliebtheit. Im Winter hingegen fristen die Berge auf der östlichen Seite des Saastals eher ein Schattendasein. Es sind keine typischen Skitourenberge – insbesondere das Lagginhorn lässt sich gar nicht mit Ski besteigen, und auch das Weissmies macht eher im Sommer von sich reden.

Während unseres Aufstiegs stellen wir uns die Frage, ob die Besteigung im Winter nicht eigentlich die schönere Variante ist. Aufgrund des Abschmelzens der Gletscher und Firnfelder ist der Zustieg bis zum Grüebugletscher im Spätsommer eine mühsam zu begehende Gerölllandschaft mit Blockfeldern. Wir hingegen können bis auf etwa 3’300 Meter mit den Ski aufsteigen, bevor das Gelände zu steil wird und wir auf Steigeisen wechseln. Dank guter, stabiler Schneelage sind die folgenden Meter bis zum Vereinigungspunkt mit den Ausläufern des Jegigrats unschwierig machbar, und bald stehen wir auf dem breiten Gletscherrücken auf rund 3’500 Metern. Vor uns öffnet sich der Blick auf den weiteren Routenverlauf über den Grüebugletscher, der sich stellenweise zerklüftet, heute aber gut verschneit bis zum Gipfel des Fletschhorns hinaufzieht.

Das Fletschhorn hat eine besondere Geschichte. Bis in die 1950er-Jahre knackte der Berg knapp die magische Grenze von 4000 Metern. Mit zunehmender Erosion, dem Abschmelzen der Eis- und Firnkuppe am Gipfel und genaueren Vermessungstechniken verlor er diesen Status, machte aber bald mit anderen Schlagzeilen von sich reden. Die Gemeinde Saas-Grund plante, den Gipfel durch bauliche Massnahmen wieder zum Viertausender zu erheben – ein Vorhaben, das schliesslich vom Kanton Wallis abgelehnt wurde. So fehlen dem Fletschhorn nun 15 Meter, um wieder in den erlauchten Kreis der höchsten Schweizer Gipfel aufgenommen zu werden. Der Vielfalt seiner Routen tut das jedoch keinen Abbruch: Mit der Überschreitung zum Lagginhorn, dem Breitloibgrat von Nordosten und der Wiener Route durch die Nordwand existieren neben dem Normalweg mehrere, teils anspruchsvolle Aufstiege auf diesen Gipfel, der sich insbesondere vom Breithorn oberhalb des Simplonpass aus als gewaltiges, über 2000 Meter hoch aufragendes Bollwerk präsentiert.

Am Gipfelaufbau

Abfahrt über den Grüebugletscher

Nach dem sogenannten Frühstücksplatz gehen wir die letzten 500 Höhenmeter an. Während bei mir die Höhe nun voll zuschlägt, ist Evelyn im Komfortmodus unterwegs. Auf meine Rechnung geht unsere langsame Zeit bis zum Gipfel – ihr gebührt viel Respekt für die dezente, aber konstante Motivation, die mich irgendwie doch noch bis nach oben bringt.

Das markante Gipfelkreuz, das im Sommer 2025 erneuert wurde, markiert für mich das Ende der Strapazen und für uns den Beginn der Abfahrt. Wir wählen die Route über den Grüebugletscher hinunter in das auf der Landkarte namenlose Hochtal südlich des Rothorngrats. Diese abgelegene Ecke des Saastals mit dem kleinen Grüebusee und dem Fellsee erfährt nur wenig touristische Aufmerksamkeit. Keine Seilbahnen führen hierher, nur einige romantisch am Berghang gelegene Weiler zeugen von der Nutzung als weitläufige Alpflächen während der Sommermonate.

Gletscherabfahrt

Dank gut verschneitem Gletscher und schönem Schnee verlieren wir rasch an Höhe und befinden uns schon bald im weitläufigen Talkessel. Unter der weissen Schneedecke schlummert jedoch auch Gefahr, denn der Blockgletscher und die Gletscherseen drohen, sich ins tief unten liegende Saas-Balen zu entwässern. Mit der zunehmenden Abschmelze der Gletscher steigt die Gefahr solcher Murgänge und Überschwemmungen – sie bedrohen immer häufiger ganze Ortschaften in den Bergregionen.

Abgenommen hat hingegen unsere Höhe – und mit ihr steigt auch mein Wohlbefinden deutlich an. Nachdem wir es auf der Alpstrasse geschafft haben, auf den letzten Schneeflecken bis fast ganz nach Saas-Balen abzufahren, fühle ich mich wieder frisch und munter. Der Effekt, bei Höhenproblemen schon nur wenige hundert Höhenmeter abzusteigen, sollte niemals unterschätzt werden. Er kann bereits eine deutliche Besserung der Symptome bringen.

Das ganzjährig regelmässig verkehrende Postauto bringt uns in wenigen Minuten zurück an unseren Ausgangspunkt in Saas-Grund, wo wir mit einem kühlen Rivella die doch noch erfolgreiche Besteigung des Fletschhorns feiern. Merci, Evelyn, fürs mentale Den-Berg-hochziehen!

Informationen zur Route

Fletschhorn ab Weissmieshütte mit Abfahrt via Grüebugletscher
ZS+ (E2)

Die Skihochtour auf das Fletschhorn ab den Weissmieshütten ist eine abwechslungsreiche Überschreitung eines im Winter eher weniger häufig frequentierten Gipfels mit einer langen Abfahrt über den Grüebugletscher nach Saas-Balen.

Zahlen & Fakten

Schwierigkeitsgrad

Ernsthaftigkeit

Zeitbedarf

Aufstieg

Abstieg

Höchster Punkt

3985 m

Gesamtdistanz

15 km

Region

SchweizWallis

Aktivität

Routenbeschreibung

Von den Weissmieshütten aus folgt man der meistens präparierten Piste nach Nordosten über eine Brücke. Nun zwischen die beiden markanten Moränen des Tälligletschers und im Talboden bleibend in nördlicher, dann in nordöstlicher Richtung auf dem kaum noch vorhandenen und spaltenarmen Tälligletscher aufsteigen. Ab ca. 3'000 m steilt das Gelände auf und man gewinnt in einem wenig ausgeprägten Couloir den Talkessel unterhalb des Frühstücksplatzes zwischen P. 3528 und der Höhenlinie bei 3'600 m. P. 3263 wird linkshaltend umgangen, bevor das Gelände nochmals flacher wird. Nun soweit wie möglich mit Ski nach Norden in Richtung P. 3528, der oberhalb der markanten Felsflanke liegt. An dieser Felsflanke meist zu Fuss an ihrem westlichen Rand hinauf, bis man ca. 220 Höhenmeter später den flachen Rücken betritt, der nun den Blick auf den weiteren Routenverlauf öffnet.

Ab hier folgt man dem Grüebugletscher ungefähr entlang der Höhenlinie von 3'600 m bis in den mittleren, spaltendurchzogenen Bereich. Nun der flachsten Routenmöglichkeit folgend aufsteigen bis auf ca. 3'800 m der Grat erreicht wird. Hier befindet man sich nun genau oberhalb der Fletschhorn Nordwand mit dem Ausstieg aus der Wiener Route.

Auf dem Grat nach Südosten wendend bis zu einer kurzen Steilstufe, die zu Fuss überwunden werden muss. Anschliessend mit den Ski in wenig schwierigem Gelände zum Hauptgipfel (der südwestliche der beiden Gipfelpunkte).

Für die Abfahrt kann man die kurze Steilstufe zwischen 3'800 und 3'850 m bei guten Bedingungen südlich umfahren und muss so nicht mehr die Ski ablegen. Anschliessend in einem weiten Rechtsbogen nach Norden hin ausholend über die schönen Hänge am nördlichen Rand des Grüebugletschers hinabfahren. Die Spaltenzonen bei ungefähr 3'350 m werden von Nordost nach Südwest querend befahren, bevor man wieder flacheres, nach wie vor vergletschertes Gelände erreicht.

Nun dem Gletscher nach Nordwesten folgend in schön geneigtem Skigelände, bis man den nördlichen Ausläufer des Inneren Rothorns (nördlich von P. 3253) umfahren kann und sich nach Westen wendet. Über flaches Alpgelände bis zur Gruebenalp auf 2'300 m. Ab hier fährt man, sich in der Nähe der markierten Wanderwege haltend, via Obru Brend und Unnru Brend in Richtung der breiten Alpstrasse ab. Dieser folgend mit nur wenig Möglichkeiten zum Abkürzen bis nach Saas-Balen. Dieser Teil der Route kann bereits relativ früh im Jahr aper sein, da er sehr stark der Sonne ausgesetzt ist.

Schwierigkeit

Der Aufstieg ab der Weissmieshütte ist mit ZS+ bewertet. Die Schwierigkeiten hängen stark von den Verhältnissen im Aufstieg zum Frühstücksplatz auf ca. 3500 m ab. Bei harten oder eisigen Bedingungen kann die Schwierigkeit in diesem Bereich höher liegen.

Die Abfahrt via Grüebugletscher ist mit ZS bewertet. Sofern der Gletscher gut eingeschneit ist, lassen sich die Spaltenzonen gut passieren und befahren. Bei ungünstiger Schneelage kann die Befahrung anspruchsvoll werden, die Steilheit des Gletschers und die damit verbundene Mitreissgefahr beim Fahren am Seil darf nicht unterschätzt werden.

Schlüsselpassage

Die Schlüsselpassage im Aufstieg ist der Steilhang zwischen Tälligletscher und Grüebugletscher ungefähr zwischen 3'300 und 3'550 Meter. Dieser bis zu 40° steile Hang, je nach Routenwahl auch etwas steiler, wird üblicherweise mit den aufgebundenen Ski zurückgelegt. Je nach Schneeverhältnissen sind Steigeisen nötig. Bereits davor sind steile Passagen mit den Ski im Aufstieg zu überwinden, die sicheres Gehen in steilem Gelände und das routinierte Beherrschen von Spitzkehren voraussetzen.

Beste Jahreszeit

März bis Mai, bei entsprechender Schneelage eventuell auch länger möglich, wobei die Talabfahrt nach Saas-Balen bereits ab April durch die sonnenexponierte Lage aper sein kann.

Anfahrt

Verschiedene Parkplätze in Saas-Grund (kostenpflichtig). Hier kann es in der Hochsaison durch den Skibetrieb auch mal etwas enger werden.

Ausgangspunkt

Ausgangspunkt sind die Weissmieshütten auf 2'726 m oberhalb von Saas-Grund. Diese können entweder bis Kreuzboden mit der Bahn und dann mit einem Aufstieg von rund 350 Höhenmetern erreicht werden. Alternativ kann auch bis Hohsaas mit der Bahn gefahren werden und anschliessend über die Skipisten zur Hütte abgefahren werden. Ganz motivierte Tourengänger können auch über die Talabfahrt von Saas-Grund aus komplett aufsteigen, wobei sich der Aufstieg enorm in die Länge zieht.

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Gut zu wissen

Einsame Skihochtour auf einen im Winter eher wenig begangenen Gipfel

Vom Gipfelbereich aus hat man eindrückliche Blicke in die markante Fletschhorn Nordwand

Weitreichende Aussicht in die italienische Po-Ebene

Genussvolle Abfahrt über den Grüebugletscher

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Über den Autor Falko Burghausen

Falko Burghausen
Falko ist ganzjährig in den Bergen zuhause, ob auf Hochtouren, beim Klettern, auf Tourenski, im Eis oder auf alpinen Trails. Im Winter zieht es ihn zusätzlich auf die Langlaufloipe. Als zertifizierter Trailrunning Guide bringt er dir effizienten, sicheren und flowigen Laufstil näher und befindet sich parallel in der Ausbildung zum UIMLA Bergwanderführer beim VDBS. Ausgestattet mit seiner Kamera hält er als mehrfach international ausgezeichneter Fotograf die grossen Momente des Draussenseins fest – voller Emotion, Weite und echter Abenteuerlust.
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