Wanderung auf den Rasletinden

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Wanderung auf den Rasletinden – 2105 m

T3 (E2)
StoriesJanuar 2023

In der Weite des Jotunheimen ist der Rasletinden einer der höchsten Gipfel und zudem relativ einfach erreichbar. Am Gipfel wartet ein einmaliges Panorama in jede Himmelsrichtung.

Wir sind früh losgefahren und noch ein bisschen steif steigen wir auf dem Parkplatz des Flye 1389 aus unserem Van und blinzeln in die Sonne. Ein frischer Wind weht uns um die Nase, als wir zu unserem heutigen Ziel, dem Rasletinden, hinüber blicken. Wir wischen uns den letzten Schlaf aus den Augen und nach wenigen Minuten sind die Rucksäcke gepackt, die Schuhe geschnürt und wir bereit für einen Tag in der Weite des Jotunheimen Nationalparks.

Abseits der Zivilisation

Viel erinnert hier nicht mehr an Zivilisation und als wir ungefähr 45 Sekunden nach unserem Aufbruch die Strasse überquert haben und den Wanderweg zum Rasletinden einschlagen, sehen wir vor uns nur noch Natur. Kein Gebäude, keine Strasse und nicht mal eine winzige Stromleitung erinnern uns daran, dass wir gar nicht so weit weg sind von all dem. Vor uns liegt nur noch ein Trampelpfad. Viele kleine und grössere Seen oder Teiche breiten sich aus, wir streifen durch niedrigen Pflanzenbewuchs und vorbei an flauschigem Wollgras, blicken auf Geröll und Berge, die teilweise von Schnee und Eis bedeckt sind.

Ab jetzt gibt es nur noch Fels, Wasser und spärliche Vegetation

Im Land der Riesen

Alles scheint hier riesig. Die Weite der Landschaft, die sich schier endlos dahin ziehenden Bergrücken, die ins unendliche laufenden Wanderwege und (leider) auch die Entfernung zu den Gipfeln. Aber irgendwie verständlich, schliesslich befinden wir uns im Jotunheimen und übersetzt bedeutet dieser Name „Heim der Riesen“. Unser Gipfelziel, der Rasletinden, gehört mit seinen 2105 Metern Höhe ebenfalls zu den Riesen und verfehlt nur knapp die Top 100 der höchsten Berge in Norwegen (Platz 114 😄).

Den Gipfel des Rasletinden haben wir von Anfang an im Blick, aber der Weg dorthin sieht kürzer aus, als er tatsächlich ist. Um so einen Riesen zu bezwingen ist also vor allem Geduld und Durchhaltewillen gefragt. Denn zwischen unserem Startpunkt am Parkplatz und dem eigentlichen Aufstieg trennt uns die Seenlandschaft Fisketjernet von unserem Ziel, die wir zuvor durchqueren müssen.

Wir folgen dem schmalen Pfand, der viel weniger sumpfig ist, als wir es hier erwartet hätten und freuen uns über die professionell verlegten Holzplanken, die das Queren in den wenigen völlig durchnässten Abschnitten zum Kinderspiel werden lassen. So machen uns sogar norwegische Sumpfdurchquerungen Spass und wir laufen in flottem Schritt und auf wippenden Holzbohlen dem Aufstieg entgegen.

Von allem unendlich viel

Nachdem wir die Fischteiche hinter uns gelassen haben, wartet das Steindalen auf uns. Über zwei bis drei Kilometer Breite erstreckt sich die kleine Hochebene, die wir durchqueren, bevor wir endlich im steileren Gelände mehr Höhenmeter gewinnen können. In unserem Rücken wird die Valdresflye Strasse, von der wir gestartet sind, immer kleiner und unseren Van können wir von hier schon gar nicht mehr erkennen. Lediglich ein paar Punkte sind auf dem weit entfernten Parkplatz auszumachen.

Aber anstatt zurück, blicken wir lieber nach vorne oder zur Seite. Ach, eigentlich lohnt sich hier unentwegt der Blick in jede Richtung. Denn nebst der Tatsache, dass im Jotunheimen alles riesig ist, gibt es von allem auch unendlich viel. Unendliche viele Gipfel, die um uns herum die Landschaft säumen und sich sanft gen Himmel strecken, unendliche Geröllmassen, die uns das Gefühl geben, als würden wir in einer Mondlandschaft wandern und natürlich gehören zu so einer Wanderung auch unzählige kleine und grosse Schritte, die uns nach und nach unserem Ziel ein Stück näher bringen.

Wer Weite sucht, wird hier fündig

Steiniger Weg zum Gipfel des Rasletinden

Mit jedem Schritt, den wir zurück legen, jedem Felsen, den wir hinauf steigen und mit jeder Stufe, die wir erklimmen, wird das Panorama um uns herum eindrücklicher. Ich bekomme davon allerdings erst mal gar nicht so viel mit. Der Weg zum Gipfel des Rasletinden ist zwar markiert, aber es gibt keinen „wirklichen“ Weg, wie man das von vielen Wanderungen aus dem Alpenraum kennt. Die Markierungen, grosse rote „T“-Buchstaben, die immer gut sichtbar sind, führen uns über Geröll und Fels in jeder erdenklichen Form und Grösse und verlangen einiges an Aufmerksamkeit und Trittsicherheit.

Absatz um Absatz steigen wir nach oben, bis wir nach einer gefühlten Ewigkeit, einer halben Mondumrundung und einem weiten Linksbogen endlich den namenlosen Vorgipfel erreichen. Ganz nah sieht unser Ziel jetzt aus, viel näher als vor zwei Stunden, als wir unten an der Strasse aufgebrochen sind. Allerdings täuscht der Anblick. Obwohl uns nur noch 1.4 Kilometer vom eigentlichen Gipfel trennen, benötigen wir – dem Geröll sei dank – nochmals eine halbe Stunde für diese kurze Distanz. Aber egal, wie anstrengend dieser Aufstieg auch war, er lohnt sich.

Nach zweieinhalb Stunden stehen wir auf dem Gipfel des Rasletinden. Das Panorama ist unglaublich, in jede Himmelsrichtung erstrecken sich zahllose Berggipfel und die Weite der Landschaft ist nahezu unbegreiflich. Wir drehen uns um uns selbst und geniessen ausgiebig diesen Anblick und die Stille um uns herum.

Gletscherschwund im hohen Norden

Das Ziel vor Augen

Irgendwann geht aber eben auch das schönste Gipfelerlebnis zu Ende und wir treten den Rückweg an. Beim Gegenanstieg zurück zum Vorgipfel registriere ich, wie schwer meine Beine sind. Die Entfernung, das nahezu weglose Gelände, das ständige Auf und Ab über die Geröllfelder, das alles kostet ganz schön Energie und ich merke, dass ich langsam müde werde. Aber es hilft ja nichts, irgendwie müssen wir wieder runter kommen.

So konzentriert wie möglich, so schnell wie nötig und mit Falko, der mich mit Faxen bei Laune hält, setzen wir unseren Abstieg fort. Langsam werde ich der Felsen, des Gerölls, der Stufen, Tritte und Blöcke überdrüssig und bin wahrlich erleichtert, als das Gelände um uns herum endlich flacher wird. Bei der Querung des Steindalen läuft es sich gleich wieder viel leichter und zurück auf den Holzplanken zwischen den kleinen Seen des Fisketjernet macht es fast schon wieder Spass. Vielleicht ist es aber auch die Vorfreude auf das Ende dieser langen Wanderung und eine Tasse heissen Kaffees und leckere Zimtschnecken in der Nachmittagssonne, die mich die Müdigkeit in meinen Beinen nicht mehr so spüren lassen. Denn die letzten Meter vergehen wie im Flug und dann stehen wir wieder an unserem Startpunkt an der Valdresflye Strasse.

Müde. Zufrieden. Hungrig. Scheint so als hätten wir bei unserer Wanderung zum Rasletinden alles richtig gemacht.

Langweilig oder kurzweilig?

Informationen zur Route

Wanderung auf den Rasletinden – 2105 m
T3 (E2)

Einsamer und wunderschöner Wandergipfel inmitten der weitläufigen Landschaft des Jotunheimen Nationalparks mit einigen Geröllpassagen.

Zahlen & Fakten

Schwierigkeitsgrad

T3

Ernsthaftigkeit

E2

Zeitbedarf

6-8 Std.

Aufstieg

837 m

Abstieg

843 m

Höchster Punkt

2'105 m

Gesamtdistanz

16 km

Region

NorwegenJotunheimen Nationalpark

Aktivität

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Routenbeschreibung

Die Wanderung auf den 2'105 m hohen Rasletinden im Jotunheimen Nationalpark ist im allgemeinen gut markiert und eine lohnenswerte Tour inmitten der einmaligen Landschaft. Vom Gipfel aus eröffnen sich atemberaubende Rundblicke in alle Himmelsrichtungen, auf endlose Fjells, unzählige Seen und majestätische Gipfel.

Der Wanderweg ist recht gut markiert und ausgebaut, insbesondere im ersten Drittel stellen sorgfältig verlegte Holzplanken eine willkommene Erleichterung im sumpfigen Gelände dar. Während der Höhenunterschied von knapp 850 Metern konditionell keine allzu hohen Anforderungen stellt, sind es eher die psychischen Herausforderungen, denn der Gipfel will lange Zeit nicht näher kommen. Am Ende lohnt sich die Anstrengung aber eindeutig, wenn man den Gipfel des Rasletinden erreicht hat.

Wir starten vom Parkplatz aus und folgen dem Weg in westlicher bis nordwestlicher Richtung ohne nennenswerten Höhengewinn. Erst nach rund zwei Kilometern beginnt der Weg an Höhe zu gewinnen und über kurzweilige, steilere Passagen bis hinauf auf den markanten Rücken auf ungefähr 1'800 Meter zu leiten. Hier ändert sich nun das Landschaftsbild und die typische Mondlandschaft mit endlosen Geröllfeldern beginnt. Diese Szenerie bleibt uns bis zum Gipfel erhalten, den wir in einem langgezogenen Linksbogen erreichen.

Im Abstieg gibt es keine erwähnenswerten und markierten Varianten, so dass wir auf dem selben Weg wieder hinunter steigen und nach einer langen Tour wieder unseren Ausgangspunkt am Valdresflye Kafé erreichen.

Schwierigkeit

Einfache bis mittelschwere Wanderung auf meistens gut markiertem Weg. Teilstücke im Blockgelände sind etwas schwieriger zu finden und können bei schlechter Sicht heikel werden. Die Orientierung in der weitläufigen Landschaft setzt gute und stabile Wetterbedingungen voraus.

Absturzgefahr besteht nur an sehr wenigen Stellen, die durch entsprechende Routenwahl gut umgangen werden können.

Beste Jahreszeit

Juni bis Oktober.

Anfahrt

Mit dem Auto auf der Strasse FV 51 durch das Valdresflye bis zum gut sichtbaren Valdresflye Kafè.

Das Café liegt auf dem höchsten Punkt der Strasse und stellt Norwegens zweithöchsten Passübergang dar.

Ausgangspunkt

Grosser Parkplatz am Valdresflye Kafè auf 1'389 m Höhe.

Auch für Wohnmobile gut nutzbar.

Der Wanderweg startet mehr oder weniger direkt gegenüber des Parkplatz auf der anderen Seite der Strasse.

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Gut zu wissen

Verschiedene kostenlose Park- und Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnmobile entlang der Strasse durch den Jotunheimen Nationalpark.

Ein offizieller Campingplatz liegt nur wenige Kilometer entfernt in Maurvangen, siehe Camping Maurvangen.

Mehrere lohnende Wanderungen im Umkreis, zum Beispiel Bitihorn oder Besseggen Überschreitung.

Mit etwas Glück lassen sich Rentiere im Valdresflye beobachten.

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Über Marina Kraus

Marina Kraus
Marina ist am liebsten draussen unterwegs – Schritt für Schritt, bergauf, bergab, mittendrin statt nur dabei. Als angehende Wanderleiterin beim Schweizer Bergführerverband plant und führt sie Touren für unsere Community, immer auf der Suche nach besonderen Wegen, aussichtsreichen Pausenplätzen und Momenten, die bleiben. Sie liebt es, gemeinsam mit anderen draussen unterwegs zu sein – egal ob über felsige Grate oder durch tiefgrüne Wälder. Und für alle, die (noch) nicht mitkommen konnten, schreibt sie Geschichten vom Wegesrand: ehrlich, nahbar und mit dem gewissen beAnywhere-Gefühl im Gepäck.
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