Überschreitung des Hauptgipfels der Aiguilles de la Lé

Überschreitung des Hauptgipfels der Aiguilles de la Lé

Einfache Gratkletterei in bestem Fels oberhalb der Cabane de Moiry

Author: Falko Burghausen
Falko Burghausen

Für diese Story sind Informationen zur Route verfügbar:

Hauptgipfel der Aiguilles de la Lé (südlicher Teil bis zum Col du Gardien)

WS / 2c (E2)
StoriesOktober 2025

Die Traversierung des südlichen Teils der Aiguilles de la Lé mit Überschreitung des 3'190 m hohen Hauptgipfels ist eine einfache Kletterei hoch über dem Glacier de Moiry und ideal als Übungsgelände oder entspannte Halbtagestour geeignet.

Schon alleine die Fahrt ins Val d'Anniviers ist ein kleines Erlebnis. Tief unten im Rhonetal bei Sierre startet die serpentinenreiche Bergstrasse, windet sich an den steilen Hängen des hier aus sandigem Gestein bestehenden Tal hunderte Höhenmeter hinauf, bis man Vissoie erreicht. Wer mit Reiseübelkeit zu kämpfen hat, sollte in diesem kleinen Bergdorf besser eine Verschnaufpause einlegen, denn am Ziel sind wir hier noch lange nicht. Über das malerische Walliser Dorf Grimentz schrauben wir uns auf kleinen Strassen weiter hinauf, bis es auf die Schlussetappe zum 2'248 m hoch gelegenen Lac de Moiry geht – einem Stausee, der für die Energiegewinnung genutzt wird und neben dem Lac de Dix zu dem riesigen und verzweigten System aus Stollen gehört, das sich vom Mattertal bis ins Val d'Hérens zieht.

Aufstieg zur Cabane de Moiry

Nachdem wir den Stausee erreicht haben, sind wir beinahe am Ziel und gleiten nur noch am türkisgrünen Lac de Moiry entlang, bis zum weitläufigen Parkplatz am Ende des Stausees. Ab hier beginnt der Aufstieg zur Cabane de Moiry – nicht weil wir für diese Tour über den südlichen Teil der Aiguilles de la Lé eine Hüttenübernachtung bräuchten, sondern weil die 2'826 m hoch gelegene Hütte an unserer Aufstiegsroute liegt und mit frischen, hausgemachten Sandwiches lockt, die günstiger als ein entsprechendes Baguette in einer Stadt ist und besser schmeckt – knusprig und herzhaft, genau wie man es in der kühlen Bergluft braucht.

Ziel vor Augen

Der Col du Pigne ruft

Das nun folgende Wegstück ist weniger schön als vielmehr nötig, gleicht seine mässige Wegbeschaffenheit (grosse Gneisblöcke, schuttig-sandige Felsplatten) aber mit eindrücklichen Ausblicken auf die Pointe de Moiry und den beeindruckenden Abbruch des Glacier de Moiry wieder aus. Wie lange dieser obere Gletscherabschnitt noch mit dem unteren verbunden sein mag? Allzu lange wird es vermutlich nicht sein...

Glücklicherweise sind es von der Cabane de Moiry nur rund 300 Höhenmeter, bis wir den 3'137 m hohen Col du Pigne erreichen. Wer möchte und Zeit hat, hängt hier noch den Aufstieg auf den 3'396 m hohen Pigne de la Lé dran – wir schenken uns den blockigen Aufstieg aber und wenden uns direkt dem aus schönem Fels bestehenden Grat der südlichen Aiguilles de la Lé zu.

Abwechslungsreiche Kletterei

Aiguilles de la Lé – der Südgrat von P. 3190

Auch wenn der in der Führerliteratur beschriebene Gratverlauf diesen Teil oftmals auslässt und direkt ab dem Col du Gardien beschreibt, so bietet der südliche Teil doch einen gewissen Anreiz, denn nur hier überschreiten wir auch den Hauptgipfel der Aiguilles de la Lé, einen 3'190 m hohen Punkt am südlichen Ende dieses rund zwei Kilometer langen Massivs inmitten der Walliser Alpen.

Abwechslungsreiche, nie wirklich schwierige Kletterei wechselt sich mit kurzen Gehpassagen ab, während wir Absatz für Absatz des Grates überwinden und langsam an Höhe gewinnen. Der Fels ist grösstenteils bombenfest, die Aussicht einfach wunderschön und die Schwierigkeit überschreitet nie den unteren dritten Grad. Kurz vor dem Hauptgipfel steilt der Grat auf, aus der Gratkletterei wird eine kurze, leichte Wandkraxelei im zweiten Grad und einer kurzen, knackigeren Stelle, um wieder auf den eigentlichen Grat zu gelangen. Nun dauert es nicht mehr lange und wir stehen am eisernen Gipfelkreuz der Aiguilles de la Lé auf 3'190 m und legen eine kurze Pause ein, um die Energiespeicher wieder aufzufüllen.

Aiguilles de la Lé Integral

Über die Abseilstelle zum spannendsten Gratteil

Kurz nach dem Gipfel wartet eine rund 15 m hohe Abseilstelle auf uns, die uns in eine schattige Flanke direkt unterhalb der Gratkante führt. Nachdem das Seil abgezogen ist, geht es weiter über spannende und abwechslungsreiche Felszacken bis vor den 3'178 m Gendarm, der sich recht abweisend vor uns aufbaut. Was sich als unüberwindbar präsentiert, entpuppt sich vor Ort aber schnell als gut umgehbare Querung und wenig später stehen wir schon am zweiten Gipfel dieser kurzen, aber nicht minder lohnenswerten Überschreitung.

Bohrhaken sucht man im Jahr 2025 hier vergeblich, zum grössten Teil sind die aber auch nicht notwendig. Nur an einer Stelle direkt unterhalb von P. 3178, einer luftigen Querung in mässigem Fels, wundert man sich über den abgeflexten Bohrhaken, der hier einen Seilschaftsabsturz verhindern könnte. Ohne ihn ist eine sinnvolle Absicherung an dieser Stelle schwierig, da dieser Teil der Aiguilles de la Lé gerne auch im Rahmen von Hochtourenkursen überschritten wird, ist der fehlende Bohrhaken einfach schade. Die Hintergründe für die an einigen Stellen erkennbar abgesägten Haken sind uns nicht bekannt – ob es sich um den immer wieder schwelenden Bohrhakenstreit handelt oder andere Gründe hat, können wir also nicht sagen.

Von P. 3178 steigen wir in einfachem Gelände ab bis zum 3'069 m hoch gelegenen Col du Gardien, bevor wir unsere kleine Überschreitung mit dem Abstieg durch ein langgezogenes Blockfeld zurück zur Cabane de Moiry beenden. Erneut warten hier die leckeren Baguettes – oder wollen wir es dieses Mal lieber mit einem Stück Hüttenkuchen probieren? Wie auch immer man sich entscheidet – das entspannte Ausklingen auf der Hüttenterrasse mit Blick auf die umliegenden Berge ist Pflicht, ebenso wie das Bestaunen der gelungenen modernen Architektur der Cabane de Moiry, die gekonnt Alt und Neu miteinander kombiniert.

Zurück ins Tal...

...bedeutet nun einerseits, den kurzweiligen Hüttenweg über die riesige Moräne des Glacier de Moiry erneut unter die Füsse zu nehmen, dieses Mal aber im Abstieg. Ist das geschafft, fehlt aber noch die lange Fahrt zurück bis nach Sierre, wobei sich hier ein kurzer Zwischenstopp in Grimentz anbietet, um die altehrwürdigen Walliser Häuser im alten Dorfkern zu bewundern.

Ein gelungener Ausflug zu einer schönen, moderaten und kurzen Gratüberschreitung über den südlichen Teil der Aiguilles de la Lé geht zu Ende. Was bleibt, sind Erinnerungen an den beeindruckenden, aber viel zu rasch dahinschmelzenden Gletscher und die vielen unvergesslichen Momente auf dieser Bergtour im Herzen des Wallis – ganz getreu dem Motto "Gravé dans mon cœur".

Informationen zur Route

Hauptgipfel der Aiguilles de la Lé (südlicher Teil bis zum Col du Gardien)
WS / 2c (E2)

Die Überschreitung des südlichen Teils der Aiguilles de la Lé ist eine abwechslungsreiche und anregende Gratkletterei im unteren Schwierigkeitsgrad und ideal als Übungstour oder kürzere Halbtagestour geeignet. Wer will, hängt diesen Teil mit der Gesamtüberschreitung zusammen und begeht so die Aiguilles de la Lé Integral.

Zahlen & Fakten

Schwierigkeitsgrad

Ernsthaftigkeit

Zeitbedarf

Aufstieg

Abstieg

Höchster Punkt

3'190 m

Gesamtdistanz

9 km

Region

SchweizWallis

Aktivität

Routenbeschreibung

Die Überschreitung startet an der Cabane de Moiry (2'826 m). Man folgt dem weiss-blau-weiss markierten Wanderweg durch Blockfelder und über einige sandige und plattige Passagen bis auf ca. 3'000 m Höhe, wo sich der Weg nach Osten wendet und einen kleinen Talboden durchquert. Nun in wenigen Minuten hinauf in den 3'137 m hohen Col du Pigne.

Hier beginnt die eigentlich Kletterei am Südgrat des Hauptgipfels der Aiguilles de la Lé. Man folgt dem Anfangs wenig ausgeprägten Grat entweder direkt auf der Gratkante oder je nach Gelände leicht rechts oder links der Kante (Gehgelände und wenige Stellen I). Im weiteren Verlauf steilt der Grat auf und es folgt leichte, geneigte Wandkletterei im II. Grad über gut gestuftes Gelände. Eine kurze Stelle verlangt beherztes Zugreifen, um etwas ausgesetzt, aber einfach (2c) den Grat wieder zu erreichen. Über Felsplatten direkt auf oder kurz unterhalb der Graskante in wenigen Minuten auf den Hauptgipfel der Aiguilles de la Lé (3'190 m, Gipfelkreuz).

Vom Gipfel aus wenige Meter leicht östlich der Gratkante bis zu einer an einer gebohrten Sanduhrschlinge eingerichteten Abseilstelle (Reepschnur mit Million Rapide vorhanden). Das die Reepschnur sorgfältig auf ihren Zustand überprüft werden muss, versteht sich von selbst. Rund 15 m senkrecht auf einen kleinen Absatz in der Ostflanke wenige Meter unterhalb des Grates abseilen. Ab hier zurück auf den Grat und in anregender Kletterei in bestem Fels bis an den Fuss des folgenden Gendarms (P. 3178 auf der Karte). Die Kletterei bewegt sich hier im Bereich zwischen 2a - 2c und kann mit Zackenschlingen sehr gut selber abgesichert werden.

Der nun folgende und auf den ersten Blick sehr abweisend wirkende Gendarm (P. 3178) wird einfach, aber ausgesetzt westseitig umgangen. Man folgt einem grasigen Band über einen kleinen Balkon und wendet sich dann von Westen her wieder nach oben, um den Gipfel des Gendarms in einfacher Kletterei zu ersteigen (2a). Diese Passage ist ausgesetzt und kann nur schlecht abgesichert werden, der an dieser Stelle vorhandene Bohrhaken wurde leider entfernt.

Ab P. 3178 folgt man einfach (I) dem wenig ausgeprägten nördlichen Rücken und gelangt so in Richtung vom Col du Gardien (3'069 m). Man hält sich über schattige Bänder und felsige Rücken leicht nach Westen, um so das kleine Tal aus grossen Felsblöcken zu erreichen, welches zur Cabane de Moiry zurückführt.

In einem nach Norden ausholenden Bogen umgeht man eine Felsstufe auf rund 3'000 m Höhe und steigt über die Blockhalde in Richtung Hütte ab. Auf ca. 2'840 m Höhe gelangt man auf Wegspuren entlang einer Wasserleitung, der man bis zur Hütte folgt.

Schwierigkeit

Der südliche Teil der Überschreitung der Aiguilles de la Lé kann mit WS / 2c bewertet werden. Es handelt sich dabei nicht um die vollständige Überschreitung der Aiguilles de la Lé, die technisch schwieriger und deutlich länger ist! Die Schwierigkeit auf dem südlichen Teil beschränkt sich auf kurze Einzelstellen, die grösstenteils mit Zackenschlingen oder durch gutes Seilhandling entschärft werden können. Die Umgehung von P. 3178 ist technisch einfach, aber ausgesetzt und kann vor allem Anfänger mental fordern, da sie schwierig absicherbar ist.

Ein Umkehren nach der Abseilstelle ist möglich (die Stelle dürfte im Aufstieg ungefähr im dritten Grad einzuordnen sein), im Falle eines Wetterumschwunges aber nicht anzuraten. Besser ist in diesem Fall die Flucht nach vorne und das zügige Beenden der Überschreitung via P. 3178.

Schlüsselpassage

Die Route hat mehrere kurze Schlüsselstellen:

  • Eine kurze Stelle (2c) kurz vor dem Hauptgipfel, die etwas überhängend ein einmaliges, beherztes Zupacken erfordert
  • Die Gratpassage nach der Abseilstelle bietet kurze Stellen im zweiten Grad mit einfacher Kletterei
  • Die Querung westlich von P. 3178 ist leicht (2a), aber kaum abzusichern und insbesondere für Einsteiger mental fordernd

Ausrüstung

  • 30 m Einfachseil (auch für die Aiguilles de la Lé Integral ausreichend)
  • Einige Zackenschlingen
  • 2 - 3 mittlere Friends (Camalot 0.75 - 2)

Beste Jahreszeit

Ab dem Frühsommer, sobald der Grat schneefrei ist. Insbesondere der GRatverlauf nach der kurzen Abseilstelle liegt im Schatten und kann mit Schnee heikel sein.

Der Zustieg zum Col du Pigne sollte ebenfalls schneefrei sein, da das weitläufige Blockgelände sonst sehr anstrengend zu bewältigen ist.

Anfahrt

Ab Sierre fährt man via Vissoie und Grimentz bis hinauf zum Lac de Moiry (kurvenreiche Bergstrasse). Am Ende des Stausees befindet sich ein grosser, kostenpflichtiger Parkplatz. Ab hier auf dem weiss-rot-weiss markierten Wanderweg in rund 1.5 Std. hinauf zur Cabane de Moiry.

Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für den südlichen Teil der Überschreitung der Aiguilles de la Lé ist die Cabane de Moiry auf 2'826 m. Die Hütte kann einfach über den markierten Wanderweg ab dem Parkplatz am Lac de Moiry erreicht werden (ca. 1.5 Std.).

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Gut zu wissen

Abwechslungsreiche Überschreitung des Hauptgipfels der Aiguilles de la Lé

Ideal als Übungs- oder Halbtagestour von der nahegelegenen Cabane de Moiry

Moderne Hütteninfrastruktur mit eindrücklicher Aussicht auf den Glacier de Moiry

Auf dem Parkplatz am Lac de Moiry kann bei entsprechendem Verhalten mit dem Camper übernachtet werden

Viele weitere Tourenmöglichkeit, z.B. Überschreitung Couronne de Bréonna, Überschreitung von Pointes du Mourti und Dent des Rosses, Pigne de la Lé oder Grand Cornier

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Über Falko Burghausen

Falko Burghausen
Falko ist leidenschaftlicher, international ausgezeichneter Outdoor-Fotograf und zertifizierter Trailrunning Guide (esa / Swiss Athletics). Seine Kamera begleitet ihn auf alpinen Pfaden, durch skandinavische Weiten und mitten ins Geschehen – immer mit einem Blick für Licht, Linie und echte Momente. Als langjähriger Software-Engineer denkt er strukturiert, als Sportler liebt er den Flow. Ob beim Laufen oder Fotografieren: Für Falko zählt das Echte – reduziert, nah dran und mit viel Gespür für Landschaft, Bewegung und Emotion.
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